Kafkas "Der Prozess" - WLB Esslingen


Kennt ihr das? Ihr besucht ein Theaterstück und könnt das Gesehene danach nicht wirklich in Worte fassen?
So ging es mir beim Gastspiel der Württembergischen Landesbühne Esslingen am 26. Februar 2016 im Feuchtwanger "Kasten".

Auch wenn die Kreuzgangspiele im Winter temperaturbedingt nicht wirklich Sinn machen, ist auch in der kälteren Jahreszeit Kultur im beschaulichen Feuchtwangen geboten.
Häufig ist die Württembergische Landesbühne mit ihren Stücken zu Gast, 2015 habe ich eine wundervolle Inszenierung von Goethes Faust gesehen (zum Blogpost geht´s hier).

Nun stand "Der Prozess" von Franz Kafka auf dem Spielplan. 
Da ich zwar Kafkas "Die Verwandlung" gelesen habe, aber mich sonst mit seinem Werk nicht wirklich gut auskenne, besuchten wir die Einführung vor dem Stück.
Diese war sehr informativ und bereitete gut auf den Abend vor.

Worum geht es in Kafkas Prozess?
Josef K. bekommt Besuch von mehreren Männern, die ihm mitteilen, dass er verhaftet ist. Er weiß weder warum noch was das für ihn bedeutet. Er darf während dem Prozess seiner Arbeit ganz normal nachgehen. 
Als er jedoch versucht, irgendwie Einfluss auf den Verlauf seines Prozess zu nehmen, scheitert er.  

Das Bühnenbild der Württembergischen Landesbühne ist schlicht, aber doch mit überraschenden Elementen. Fast jeder Wandteil lässt sich als Tür zur Bühne benutzen.
Außerdem stehen viele Schuhe auf der Bühne - wieso habe ich allerdings nicht ganz verstanden.
Das Stück zeigt doch recht explizit dargestellte Erotik beziehungsweise Sexualität - das ist sicherlich nicht jedermanns Sache. 

Die Esslinger Inszenierung  besticht vor allem durch ihre großartigen Schauspieler. 
Aus dem siebenköpfigen Ensemble sticht Ralph Hönicke als Josef K. rollenbedingt heraus. Er stellt K.s Ratlosigkeit absolut rational dar, weiß aber auch zu überzeugen, als K.s Situation am Ende des Stücks immer auswegsloser wird. 
Trotzdem bleibt "Der Prozess" eine großartige Ensembleleistung - alle (außer Josef K.) spielen mehrere Rollen und überzeugen in jeder. 
Irgendwann weiß man nicht mehr, welcher Charakter jetzt eigentlich auf der Bühne steht - kafkaesk eben. 


Rückblickend kann ich "Der Prozess" der Württembergischen Landesbühne Esslingen nur weiterempfehlen - mit einer Einschränkung: Sollte man "schwere Stücke" nicht mögen, wird man vermutlich keinen schönen Abend im Theater verbringen. 
Die Inszenierung von Kafkas Roman ist verwirrend, verstörend und nicht so leicht wieder zu vergessen. Genau wie Kafka es wohl beabsichtigt hatte. 
In Feuchtwangen war der Applaus meinem Gefühl nach relativ verhalten - was wohl daran lag, dass das Stück teilweise ziemlich verstörend ist. 

"Der Prozess" wird an der Württembergischen Landesbühne in Esslingen gespielt.
Hier (http://www.wlb-esslingen.de/stueck/der-prozess/) findet ihr neben einer etwas ausführlicheren Inhaltszusammenfassung auch das Ensemble und weitere Spieltermine in Esslingen. 
Guckt es euch an!